Glossar

Akute Belastungsstörung

Vorübergehende Störung nach traumatischen Ereignissen wie sexueller Gewalt, die im Gegensatz zur Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) meist innerhalb von Tagen oder Stunden abklingt. Sie zeigt sich in Symptomen wie beispielsweise Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Ängsten, Aggressionen oder Wahrnehmungsveränderungen. Diese Symptome sind normale, nicht behandlungsbedürftige psychische Reaktionen nach Extrembelastungen, die zeigen, dass ein Mensch mit der Verarbeitung des Erlebten vorübergehend überlastet ist.

Anonyme Spurensicherung

Betroffene von Gewalterfahrungen können mit der sogenannten anonymen Spurensicherung ihre Verletzungen rechtsicher und ärztlich dokumentieren lassen. Dafür ist es nicht notwendig eine Anzeige zu erstatten. Betroffene können sich anschließend in Ruhe überlegen, ob sie eine Anzeige erstatten möchten oder nicht. Für einen möglichen Gerichtsprozess können die Spuren bis zu 20 Jahren aufbewahrt werden. Anonyme Spurensicherungen werden meist in Gewaltschutzambulanzen angeboten.

Anzeigepflicht

Es gibt in Deutschland weder für das Opfer noch für andere Privatpersonen eine gesetzliche Pflicht, bei dem Verdacht auf begangene oder geplante Sexualstraftaten Strafanzeige gegen den Täter oder die Täterin zu stellen. Behörden und Amtsträger, die im Bereich der Strafverfolgung tätig sind (z. B. Polizei und Staatsanwaltschaften) sind aber verpflichtet, ihnen dienstlich bekannt gewordene Straftaten anzuzeigen. Behörden, die keine Strafverfolgung betreiben (z. B. Jugendämter) sind hierzu nicht verpflichtet.

Aufarbeitung

Aufarbeitung verfolgt das Ziel, mehr über Ausmaß, Art und Folgen sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Vergangenheit herauszufinden - und aufzuzeigen, wodurch diese damals ermöglicht wurde, warum sie häufig unentdeckt blieb oder sogar vertuscht wurde. Aufarbeitung ist stark auf die Berichte von Betroffenen, Angehörigen und Zeitzeug:innen angewiesen. Auf dieser Basis sollen Verbesserungen im Kinderschutz und im Umgang mit erwachsenen Betroffenen sowie eine offenere gesellschaftliche Auseinandersetzung zum Thema sexueller Missbrauch angestoßen werden. Darüber hinaus sollen durch Aufarbeitung Gewalttaten gegenüber betroffenen Menschen offengelegt und die Gesellschaft an vergangenes Leid und Unrecht erinnert werden.

Betroffenenbeteiligung

Strukturierte Zusammenarbeit von Politik und Forschung mit Betroffenen. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Anerkennung der Fach- und Erfahrungsexpertise von Betroffenen.

Dabei ist wichtig, Betroffene mit klaren Gestaltungs- und Mitbestimmungsrechten auszustatten und gemeinsam Ziele zu formulieren, um einen Diskurs auf Augenhöhe und echte Partizipation für Betroffene zu ermöglichen.

Gelungene Partizipation heißt, Betroffene nicht zu stigmatisieren. Also nicht über Betroffene, sondern mit ihnen zu reden, zu handeln und zu konzipieren. Dabei steht jede Perspektive gleichberechtigt nebeneinander und die gewonnenen Erkenntnisse werden gemeinsam genutzt.

Cybergrooming

Vorbereitung und Anbahnung von Missbrauchshandlungen (siehe auch Grooming) mittels digitaler Medien. Dazu zählt die Identifizierung potenzieller Opfer, das Gewinnen ihres Vertrauens durch besondere Aufmerksamkeit, das Verstricken in Abhängigkeit, Bestechung, Zwang sowie die Gewöhnung an sexuell gefärbte Kommunikation. Cybergrooming ist strafbar (§ 176b StGB).

Dissoziative Identitätsstörung (DIS)

Psychische Störung, die sich dadurch auszeichnet, dass sich die Psyche infolge schwerster Traumata, beispielsweise frühkindlichen sexuellen Missbrauchs, in mindestens zwei als unabhängig empfundene Persönlichkeitsanteile aufspaltet. Erinnerungslücken von Betroffenen können auch dadurch zustande kommen, dass bestimmte Erfahrungen von anderen Persönlichkeiten abgespeichert wurden und nicht jederzeit abrufbar sind.

Durch Abspalten (= Dissoziation) von Persönlichkeitsanteilen wird die Traumatisierung auf verschiedene Teilpersönlichkeiten verteilt, da nur eine Persönlichkeit das schwere traumatische Erleben nicht aushalten könnte.

Dunkelfeld

Straftaten, die in den staatlichen Behörden und den Hilfesystemen nicht bekannt werden und folglich „im Dunkeln“ bleiben. So geht man bei der Erstellung von Kriminalstatistiken davon aus, dass die eigentliche Anzahl von Straftaten (z. B. auch Sexualdelikte) weit höher liegt als bekannt (siehe Hellfeld), da viele Taten nicht angezeigt werden.

Bei sexueller Gewalt gilt das polizeiliche Dunkelfeld als besonders groß, da die Gründe von einer Anzeige abzusehen, vielfältig sind; u. a. kommt es nicht zur Anzeige, weil Betroffene ein Strafverfahren nicht möchten oder das konkrete Geschehen als strafrechtlich nicht relevant gilt.

Das Dunkelfeld kann erforscht werden, indem repräsentative Bevölkerungsumfragen durchgeführt werden.

Elterliche Sorge

Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge) unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes des Kindes (§ 1626 BGB). Das Kindeswohl muss die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein. Über diese elterliche Verantwortung wacht die staatliche Gemeinschaft (s. g. staatliches Wächteramt, Art. 2 Abs. 2 GG).

EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)

Psychotherapieform zur Behandlung von Traumafolgestörungen, insbesondere der Posttraumatischen Belastungsstörung. Durch angeleitete Augenbewegungen wird das Gehirn stimuliert, die eigenen Selbstheilungskräfte zu aktivieren und die belastenden Erinnerungen zu verarbeiten. Seit 2014 wird EMDR als Methode und Kassenleistung anerkannt.

Erweitertes Führungszeugnis

siehe Führungszeugnis

Exhibitionismus

Zwanghaftes Verhalten der Entblößung der eigenen Geschlechtsteile vor anderen (fremden) Personen, um deren Abscheu und Erschrecken zu erregen. § 183 StGB stellt exhibitionistische Handlungen von Männern unter Strafe. Exhibitionistische Handlungen vor Kindern und Jugendlichen stellen sogenannte Missbrauchshandlungen ohne Körperkontakt dar. Strafbar sind sie nach § 176 Absatz 4 Nr. 1 beziehungsweise § 174 Absatz 3 Nr. 1 StGB.

Fachberatungsstellen

Fachberatungsstellen unterstützen betroffene Kinder und Jugendliche als Erstanlaufstelle sowie durch langfristige Beratung und therapeutische Begleitung. Auch erwachsene Betroffene, die in ihrer Kindheit oder Jugend Missbrauch erlitten haben, können im Erwachsenenalter Unterstützung durch eine Fachberatungsstelle erhalten. Beratung gibt es dort auch für Eltern, Fachkräfte und weitere Menschen aus dem Umfeld von Kindern, die sich Sorgen machen, Fragen zur Prävention haben oder sich zum Umgang mit einem Verdacht oder wie sie Kinder und Jugendliche unterstützen können, beraten lassen wollen. Die meisten Fachberatungsstellen arbeiten vertraulich und auf Wunsch anonym. Sie unterliegen weder einer Meldepflicht an Strafverfolgungsbehörden noch an Jugendämter. Beratungen erfolgen kostenfrei, in seltenen Fällen auf freiwilliger Spendenbasis.

Führungszeugnis

Gibt Auskunft darüber, ob eine bestimmte Person vorbestraft ist oder nicht. Das einfache Führungszeugnis beinhaltet nicht alle Vorstrafen, aber Vorstrafen bei Sexualdelikten an Kindern und Jugendlichen werden zum Großteil aufgeführt. Mehr Angaben sind im erweiterten Führungszeugnis aufgeführt. Eine Vorstrafe wegen Besitzes von kinderpornographischen Inhalten steht zum Beispiel nur in bestimmen Fällen im normalen Führungszeugnis.

Gefährdungseinschätzung

Wenn Fachkräfte der Jugendhilfe eine Kindeswohlgefährdung vermuten, sind sie verpflichtet, eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen (§ 8a SGB VIII). Dazu müssen sie sich Klarheit über die Situation des Kindes oder der:s Jugendlichen verschaffen, indem sie die verfügbaren Informationen zusammentragen und gegebenenfalls mit den Erziehungsberechtigen sowie dem Kind oder dem:r Jugendlichen sprechen. Im Rahmen der Gefährdungseinschätzung bei freien Trägern berät eine insoweit erfahrene Fachkraft zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos. Zur Umsetzung des Schutzauftrages sollen Wege zur Abwendung des Gefährdungsrisikos erörtert und insbesondere auf die Inanspruchnahme von Hilfe hingewirkt werden. Die Information der Eltern sollte unterbleiben, wenn dadurch der Schutz des Kindes bzw. der:s Jugendlichen in Frage gestellt wird.

Gewaltschutzambulanz

Bietet Betroffenen von Gewalttaten die Möglichkeit, erlittene Verletzungen rechtsmedizinisch untersuchen und dokumentieren zu lassen. Das ist auch ohne polizeiliche Anzeige möglich und wird auch „anonyme Spurensicherung genannt.

Glaubhaftigkeitsbegutachtung

Es handelt sich dabei um eine so genannte aussagepsychologische Begutachtung. Dabei prüft ein:e Sachverständige:r der Psychologie oder Medizin, ob die Angaben zu einem bestimmten Geschehen – beispielsweise sexuellem Missbrauch – auf einem tatsächlichen Erleben der untersuchten Person beruhen. Glaubhaftigkeitsgutachten werden im Rahmen von Ermittlungs- und Strafverfahren eingesetzt.

Grooming

(engl. anbahnen, vorbereiten) Strategisches Vorbereiten von sexueller Gewalt, das in der Regel folgende Aspekte umfasst: Vertrauen gewinnen, Bevorzugung des Opfers, Isolierung des Opfers, Bewirken von Geheimhaltung, Desensibilisierung des Opfers durch schrittweise Grenzüberschreitung (siehe auch Cybergrooming).

Häusliche Gewalt

Gewaltstraftaten zwischen Erwachsenen in einer partnerschaftlichen Beziehung oder nach Trennung. Das Miterleben von häuslicher Gewalt stellt eine Erscheinungsform der Kindeswohlgefährdung dar, weil Mädchen und Jungen, die im Haushalt einer der betroffenen Personen leben, stets in Mitleidenschaft gezogen werden. Kinder erleben als Zeug:innen dieser Partnergewalt neben der eigenen Angst die Angst des misshandelten Elternteils (meist der Mutter), den Zorn des Täters oder der Täterin und starke Ohnmachtsgefühle, weil sie selbst den misshandelten Elternteil nicht schützen können. Beim Versuch einzugreifen werden sie mitunter selbst zum Opfer der Gewalt.

Hellfeld

In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden alle Straftaten erfasst, die bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden. Das ist das polizeiliche Hellfeld. Man geht davon aus, dass die eigentliche Anzahl von Straftaten (z. B. auch Sexualdelikte) weit höher liegt, viele Taten jedoch „im Dunkeln“ bleiben (siehe Dunkelfeld). Zum Hellfeld gehören auch die Fälle, die im Gesundheitswesen, in Fachberatungsstellen und den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bekannt werden.

Insoweit erfahrene Fachkraft

Berät bei der Einschätzung des Gefährdungsrisikos bei einer vermuteten Kindeswohlgefährdung. Fachkräfte, die Leistungen der Jugendhilfe erbringen (z. B. Kitas, Jugendhilfeeinrichtungen) sind verpflichtet, bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine „Insoweit erfahrene Fachkraft“ hinzuzuziehen (§8a SGB VIII). Auch Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen haben bei der Einschätzung zur Kindeswohlgefährdung im Einzelfall Anspruch auf diese Beratung (§8b Abs. 1 SGB VIII). Neben der Gefährdungseinschätzung umfasst die Beratung mögliche Hilfen für Kinder bzw. Jugendliche und Familien, geeignete Formen der Gesprächsführung, um Eltern zur Kooperation zu motivieren, sowie die Einschätzung, ob und ab wann das Jugendamt hinzuzuziehen ist. Die Verantwortung für entsprechende Entscheidungen und das weitere Vorgehen bleibt bei der beratenen Person oder Einrichtung. Die Beratung erfolgt anonym und kostenfrei. Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt verfügen in der Regel über diese entsprechend qualifizierten Mitarbeiter:innen. Inoffizielle Bezeichnungen sind Kinderschutzfachkraft, IeF, Isef, Insofa oder Isofak.

Intervention

Alle Bemühungen und Handlungsschritte, die der Beendigung sexuellen Missbrauchs dienen, fallen unter den Begriff der Intervention. Der Begriff „sekundäre Prävention" wird synonym verwendet.

Inzest

Geschlechtsverkehr unter Verwandten, der in gerader Linie ((Groß-)Eltern mit Kindern oder Enkelkindern) und unter volljährigen Geschwistern strafbar ist. Die Verwendung des Begriffs für innerfamiliären Missbrauch ist problematisch und ungenau, weil er eher den (Liebes-)Beziehungsaspekt als den Aspekt der sexuellen Gewalt betont. Zudem umfasst er keine anderen Formen sexueller Gewalt als Geschlechtsverkehr und berücksichtigt keine familiären Missbrauchskonstellationen ohne Blutsverwandtschaft.

Istanbul-Konvention

Völkerrechtlicher Vertrag des Europarats aus dem Jahr 2011. Gegenstand ist die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. In Deutschland ist die Konvention 2018 in Kraft getreten

Kinderpornografie

Verharmlosender und ungenauer, aber weithin gebräuchlicher Begriff für Missbrauchsdarstellungen. Er kann darüber hinwegtäuschen, dass jede derartige Darstellung ein Verbrechen zum Gegenstand hat. Der Begriff wird auch im Strafrecht zur Definition von Missbrauchsdarstellungen weiterhin gebraucht.

Kinderrechte

Kinderschutzambulanz

Kinderschutzambulanzen haben den medizinischen Kinderschutz im Fokus. Dort können Kinder und Jugendliche, bei denen ein Verdacht auf akute und chronische Formen körperlicher oder seelischer Misshandlung, Vernachlässigung sowie sexualisierte Gewalt besteht, vorgestellt werden. Eine Kinderschutzambulanz kann gegebenenfalls weitere Hilfen einleiten oder an diese weitervermitteln.

Kindeswohlgefährdung

Gefahr für die körperlichen, geistigen oder seelischen Bedürfnisse eines Kindes, die eine erhebliche Schädigung verursacht oder bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit vorhersehen lässt. Unterschieden werden können vier Erscheinungsformen der Kindeswohlgefährdung: Misshandlung, Vernachlässigung, sexueller Missbrauch und häusliche Gewalt.

Lanzarote-Konvention

Die Lanzarote-Konvention ist ein internationales Übereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch, das 2007 vom Europarat verabschiedet wurde. In Deutschland ist die Konvention 2016 in Kraft getreten.

Loverboys

Als sogenannte Loverboys werden junge Männer bezeichnet, die Mädchen und junge Frauen in die Prostitution zwingen. Dies ist Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Loverboys sprechen die Mädchen meist über Soziale Medien oder in Chaträumen von Onlinespielen an, aber auch vor der Schule oder an Orten, an denen Jugendliche sich treffen. Sie manipulieren ihre Opfer, indem sie ihnen eine Liebesbeziehung vorgaukeln und ihr Vertrauen durch Aufmerksamkeit, Komplimente und Geschenke gewinnen. Die Mädchen befinden sich schnell in einer emotionalen Abhängigkeit und werden zudem oft durch Drogen, Erpressung und Gewalt gefügig gemacht.

Missbrauchsdarstellungen

Abbildungen, Filme oder Texte, die sexuellen Missbrauch an Mädchen oder Jungen unter 14 Jahren darstellen. Die Traumaverarbeitung ist für Opfer von Missbrauchsdarstellungen erschwert, weil der Missbrauch nach Beendigung bildlich (oft auch im Internet) weiter existiert. Gebraucht (vor allem im Strafrecht) wird nach wie vor der Begriff Kinderpornografie, der aber das Geschehen verharmlost und nicht verwendet werden sollte.

Misshandlung (Körperliche und emotionale/psychische)

Bei einer körperlichen oder emotionalen/psychischen Gewalt gegen Kinder bzw. Jugendliche, die zu einer Kindeswohlgefährdung führen kann, spricht man von Misshandlung. Zu den körperlichen Gewaltformen zählen beispielsweise Schläge (auch mit Gegenständen), Tritte, Stöße, Stiche, Verbrennungen, Vergiftungen, Einklemmen oder das Schütteln insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern. Bei emotionaler/psychischer Misshandlung beeinträchtigen Bezugspersonen aktiv die psychische Befindlichkeit von Kindern und Jugendlichen. Dies kann auf verschiedene Art und Weise geschehen:

1. Entwertung des Kindes oder der:s Jugendlichen durch negative Einstellung (z. B. grobe, herabsetzende Sprache, inadäquate Strafen, unrealistische Anforderungen)

2. Instrumentalisierung der Kinder und Jugendlichen in elterlichen Konflikten

3. Vermitteln von Schuldgefühlen an Kinder oder Jugendliche

4. Verhinderung adäquater Entwicklungsmöglichkeiten

 

Multiple Persönlichkeitsstörung

Frühere Bezeichnung der Dissoziativen Identitätsstörung.

Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom (Münchhausen-by-proxy-Syndrom)

Sonderform der Misshandlung, bei der Bezugspersonen über nicht eigentlich existierende Krankheitssymptome beim Kind berichten, Informationen verfälschen (deshalb die Bezeichnung nach dem Lügenbaron Münchhausen) oder verschweigen und damit komplizierte somatische Abklärungen auslösen. Häufig werden dabei zusätzlich absichtlich Krankheitssymptome erzeugt, indem das Kind gesundheitlich geschädigt wird.

Offenbarungsbefugnis

Die Offenbarungsbefugnis berechtigt sogenannte Berufsgeheimnisträger:innen trotz Schweigepflicht nach § 203 StGB Privatgeheimnisse weiterzugeben. Sie kann sich z. B. aus einer (mutmaßlichen) Einwilligung der:des Anvertrauenden oder aus einer gesetzlich geregelten Offenbarungspflicht oder –befugnis beispielsweise bei Kindeswohlgefährdungen  (§ 4 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz -KKG) ergeben. Auch eine Notstandssituation kann eine Befugnis zur Weitergaben von Informationen darstellen.

 

Organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt

Systematische Anwendung schwerer sexualisierter Gewalt in Verbindung mit körperlicher und psychischer Gewalt durch mehrere Täter und Täterinnen bzw. Täternetzwerke. Häufig ist dies mit kommerzieller sexueller Ausbeutung verbunden. Dient eine Ideologie zur Begründung oder Rechtfertigung der Gewalt, wird dies als rituelle Gewalt bezeichnet.

Pädokriminalität

Von Pädokriminalität spricht man, wenn pädosexuelle Wünsche umgesetzt werden, denn jede sexuelle Handlung von Erwachsenen und Jugendlichen an oder mit Kindern ist als Missbrauch strafbar. In der Berichterstattung finden sich häufig begriffliche Ungenauigkeiten, die den Eindruck erwecken, alle Taten seien Pädosexuellen zuzurechnen.

Pädophilie / Pädosexualität

Störung der Sexualpräferenz, die sich in einer Fixierung auf Kinder ausdrückt. Bezieht sie sich auf pubertierende Mädchen oder Jungen, spricht man von Hebephilie. In den Sozialwissenschaften ist der medizinische Begriff Pädophilie umstritten, weil „-philie“ (griech.) Liebe bedeutet. Als angemessener gilt der Begriff Pädosexualität, weil er das sexuelle Begehren in den Vordergrund rückt.

Peer-to-Peer-Gewalt

Weithin gebräuchlicher, aber ungenauer Begriff für sexuelle Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen. 

Posingbilder

Sind sexualisierte Darstellungen von Kindern und Jugendlichen, teilweise werden darunter auch Nacktaufnahmen von Kindern in natürlichen Positionen verstanden. Der Begriff ist daher unscharf. Seit 2015 ist im Strafgesetzbuch klargestellt, dass die Abbildung von Kindern in unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung als Kinderpornografie gilt. Auch das Nacktfoto in natürlicher Situation darf nicht gehandelt oder getauscht oder zu diesem Zwecke hergestellt oder angeboten werden.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Mögliche Folgereaktion auf das Erleben eines Traumas, die im Gegensatz zur akuten Belastungsstörung über lange Zeit anhält. Typische Symptome: anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben durch Nachhallerinnerungen (Flashbacks), die oft durch Trigger ausgelöst werden. Weitere Symptome sind Erinnerungslücken, Übererregung, Vermeidungsverhalten in Bezug auf Umstände, die mit dem Trauma assoziiert werden, sowie (emotionaler) Rückzug. Im Kindesalter sind die Symptomausprägungen teilweise verändert, so kommt es beispielsweise zu wiederholtem Durchspielen des traumatischen Erlebens. Die Symptomatik kann unmittelbar oder auch mit zum Teil mehrjähriger Verzögerung nach dem traumatischen Geschehen auftreten.

Prävalenz

Häufigkeit von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen, in der Regel bezogen auf den Tatkontext. Sie wird bestimmt durch die Anzahl der Personen (ausgedrückt als Anteil einer Gruppe), die über eine bestimmte Zeitdauer hinweg (über ein Jahr oder auch über das ganze Leben) von sexueller Gewalt betroffen sind oder waren. Die Prävalenz sexueller Gewalt kann durch Dunkelfeld-Studien erforscht und geschätzt werden (siehe Dunkelfeld).

Prävalenz wird als Begriff auch bei Krankheiten oder anderen belastenden Erfahrungen verwendet.

Prävention

Pädagogische und institutionelle Maßnahmen (siehe Schutzkonzepte), die zur Vorbeugung, Verhinderung und Beendigung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche beitragen. Es wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterschieden. Primärprävention umfasst vorbeugende Maßnahmen, Sekundärprävention bezieht sich auf das Erkennen und Beenden sexueller Gewalt (Intervention) und Tertiärprävention meint (therapeutische) Hilfen zur Verarbeitung erlittener sexueller Gewalt mit dem Ziel, weitere derartige Erfahrungen zu verhindern. Eine weitere Form der Prävention sind Maßnahmen der Täterarbeit, die darauf abzielen, (erneute) Taten durch Verhaltensänderung auf Seiten der (potenziellen) Täter und Täterinnen zu verhindern.

Psychosoziale Prozessbegleitung

Besonders schutzbedürftige Betroffene - zum Beispiel Kinder oder Jugendliche, die Opfer von Sexualdelikten geworden sind, - haben einen Anspruch auf eine psychosoziale Prozessbegleitung. Hierbei handelt es sich um eine besonders intensive Form der Begleitung während des gesamten Strafverfahrens. Die psychosoziale Prozessbegleitung soll die betroffenen Zeug:innen im Rahmen des Verfahrens betreuen, unterstützen und informieren. Ziel ist, die individuellen Belastungen der Betroffenen so weit wie möglich zu reduzieren. Eine rechtliche Beratung kann und darf durch die psychosoziale Prozessbegleitung nicht wahrgenommen werden. Diese ist allein die Aufgabe von Anwält:innen.

Resilienz

Psychische Widerstandskraft, die als Schutzfaktor wirkt. Als fördernde Faktoren gelten beispielsweise sichere Bindungserfahrung (wobei es sich nicht um die Bindung zu einem Elternteil handeln muss), positives Selbstwertgefühl, eigene positive Erfahrungen im Umgang mit Krisen. Kinder (oder Erwachsene) mit hoher Resilienz können nach einem Trauma leichter Strategien zur Bewältigung entwickeln. 

Retraumatisierung

Erneutes Erleben eines Traumas, das zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands führen kann. Retraumatisierung kann durch das tatsächliche Erleben einer erneuten ähnlichen traumatischen Erfahrung oder durch Medienberichte über traumatische Erfahrungen gleicher Art erfolgen. Zudem können polizeiliche Vernehmungen, gerichtliche Zeug:innenaussagen aber insbesondere auch ärztliche Behandlungen retraumatisierend für Betroffene sein.

Schutzkonzepte

Schutzkonzepte sind eine Form der institutionellen Prävention, die in einem Organisationsentwicklungsprozess Risiken analysiert und strukturelle Veränderungen, Vereinbarungen und Absprachen konzeptionell festlegt sowie Haltung und Kultur einer Organisation in präventiver Hinsicht weiterentwickelt. 

Schweigepflicht

Für die in § 203 StGB genannten Berufsgeheimnisträger:innen, zu denen beispielsweise Lehrkräfte, staatlich anerkannte Sozialarbeiter:innen oder Ärzt:innen gehören, besteht eine Pflicht, die ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten anvertrauten Privatgeheimnisse nicht an Dritte weiterzugeben. Diese Schweigepflicht gilt nicht ausnahmslos, sondern kann durch eine Offenbarungsbefugnis aufgehoben sein.

Seelische Behinderung

Eine seelische Behinderung liegt vor, wenn psychische Störungen oder Verhaltensstörungen dazu führen, dass ein junger Mensch in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. 

Sexueller Missbrauch kann für Kinder und Jugendliche zu einer Traumatisierung und in der Folge zu einer seelischen Behinderung führen. Soziale Beziehungen und Handlungskompetenzen, die schulische und persönliche Entwicklung können beeinträchtigt und die spätere berufliche Integration kann gefährdet sein. § 35a SGB VIII regelt die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche.

Selbsthilfe

Neben Beratung und Therapie durch professionelle Fachkräfte ist Selbsthilfe eine Form der Hilfe nach sexueller Gewalt. In Selbsthilfegruppen treffen sich Menschen, die ein gemeinsames Problem oder Anliegen haben, um sich gegenseitig zu unterstützen. Auch Angehörige können Selbsthilfegruppen besuchen. Selbsthilfe bedeutet dabei immer „Hilfe zur Selbsthilfe“. Oft hilft sie den Teilnehmer:innen mit ganz konkreten Tipps im Alltag. Selbsthilfe bietet aber auch einen Raum, um sich mit Personen auszutauschen, die Ähnliches erlebt haben oder sich in einer ähnlichen Situation befinden, aber auch über die gesellschaftlichen Umstände, die diese Gewalt möglich machen. Viele Betroffene von sexualisierter Gewalt erfahren hier, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht alleine sind und andere sie verstehen. Der Austausch hilft ihnen zu sehen, wie andere mit ihrer Situation umgehen.

Sexting

Digitales Versenden von erotischen und sexuellen Fotos von sich selbst, oder auch sexualisierten Textbotschaften. Sexting birgt die Gefahr, dass die versandten Fotos von Empfänger:innen gegen den Willen der abgebildeten Personen an Dritte weitergeleitet werden. Für Betroffene können erhebliche psychosoziale Belastungen die Folge sein.

Sexualdelikte

Straftaten wie beispielweise Vergewaltigung, sexueller Missbrauch von Kindern oder sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung beziehungsweise gegen das Recht auf ungestörte sexuelle Entwicklung verstoßen. Sie sind im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches geregelt. 

Sexualpädagogik / Sexuelle Bildung

Teilbereich der Pädagogik, der Sexualaufklärung und Sexualerziehung umfasst. Sexualaufklärung meint die Information über Fakten und Zusammenhänge zu allen Themen der menschlichen Sexualität. Sexualerziehung bedeutet, Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung ihrer sexuellen Identität und Einstellungen zu begleiten und dabei werteorientiert einzuwirken. Der neuere Begriff "sexuelle Bildung" betont, dass es dabei nicht nur um Einwirken, sondern auch um eine eigene (lebenslange) aktive Auseinandersetzung des Individuums mit sexuellen Fragen geht.   

Sexualpädagogik ist ein zentraler Baustein der Prävention von sexuellem Missbrauch, weil Sexualität aussprechbar wird, so dass Betroffene von sexueller Gewalt eher über Geschehenes sprechen können. Zudem stellt sexuelles Wissen einen Schutz vor sexueller Gewalt dar.

Sexuelle Belästigung

Jedes sexuelle Verhalten, das von den Betroffenen nicht erwünscht und von ihnen als beleidigend und abwertend empfunden wird. Sie kann sich in Worten, Gesten und Handlungen ausdrücken, durch ausfallende Bemerkungen über Aussehen oder Privatleben, Erzählen anzüglicher Witze, Zeigen von pornografischen Darstellungen, taxierende Blicke, unerwünschte Berührungen und Annäherungsversuche bis hin zu strafrechtlich relevanten Tatbeständen wie Stalking, sexueller Nötigung und Vergewaltigung. Weil es ein einseitiges Verhalten ist, das von den Betroffenen als entwürdigend erlebt wird, unterscheidet es sich grundlegend von Flirts oder Komplimenten. Die vorsätzliche, körperliche sexuelle Belästigung ist strafbar (§ 184i StGB). Gegen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - AGG.

Sexuelle oder sexualisierte Gewalt

Andere Begrifflichkeit für sexuellen Missbrauch, die klarstellt, dass es sich dabei um Gewalt handelt, die mit sexuellen Mitteln ausgeübt wird. Gerade der Begriff „sexualisierte Gewalt“ verdeutlicht, dass Sexualität dazu benutzt wird.

Sexuelle Selbstbestimmung

Zur sexuellen Selbstbestimmung fähig ist, wer aufgrund der geistigen und seelischen Entwicklung die Bedeutung und auch die möglichen Folgen einer sexuellen Handlung erkennen und danach handeln kann. Bei Kindern (Minderjährigen unter 14 Jahren) ist diese Entwicklung altersentsprechend noch nicht abgeschlossen. Das bedeutet, dass Kinder niemals in sexuelle Handlungen einwilligen können und jede sexuelle Handlung gegenüber einem Kind strafbar ist. Insofern richten sich diese Handlungen genau genommen nicht gegen die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes, sondern gegen sein Recht auf eine ungestörte sexuelle Entwicklung. Bei älteren Jugendlichen ab 16 Jahren und Erwachsenen geht man davon aus, dass die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung vorliegt. Bei jüngeren Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren muss dies im Einzelfall geprüft werden. Hier kommt es auf die konkreten Umstände an, zum Beispiel auf den Altersunterschied zu dem:der Sexualpartner:in, die Art der sexuellen Handlung und die Art der Beziehung.

Sexuelle Übergriffe

Sind im sozialwissenschaftlichen Sinn ein absichtliches Überschreiten von körperlichen oder sexuellen Grenzen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze, wie z. B. das Taxieren von Po, Brust oder Geschlechtsteilen, aber auch verbale sexuelle Belästigung. Der Begriff „Sexueller Übergriff“ findet auch im Strafrecht Verwendung, bezeichnet dort jedoch sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person (§177 Abs. 1 StGB).

Sexuelle Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen

Sexuelle Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen sind eine häufig vorkommende Form von sexueller Gewalt. Sie wird oft mit dem ungenauen Begriff Peer-to-Peer-Gewalt bezeichnet.

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

Da Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren in der Lage sein müssen, eigene sexuelle Erfahrungen zu sammeln und sich zu entdecken, ist nicht jede sexuelle Handlung strafbar. Stattdessen kommt es darauf an, ob die jugendliche Person freiwillig handelt. Ein freiwilliges Handeln wird zum Beispiel dann verneint, wenn der Täter oder die Täterin eine Zwangslage der jugendlichen Person ausnutzt oder ihr Geld für die sexuelle Handlung bezahlt. Außerdem müssen Jugendliche zur sexuellen Selbstbestimmung fähig sein, also wirksam in die jeweilige sexuelle Handlung eingewilligt haben. Liegen Freiwilligkeit und Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung vor, so sind sexuelle Handlungen mit Jugendlichen auch für Erwachsene straflos.

Sexueller Missbrauch von Kindern (Sexueller Kindesmissbrauch)

Jede sexuelle Handlung gegenüber Kindern, also Minderjährigen unter 14 Jahren, egal ob mit oder ohne Körperkontakt. Dabei kommt es nicht auf ein vermeintliches Einverständnis des Kindes an, da Kinder aufgrund ihrer altersentsprechenden Entwicklung noch nicht in der Lage sind, in sexuelle Handlungen einzuwilligen. In der psychosozialen Fachpraxis und Wissenschaft wird häufig der Begriff „sexuelle oder sexualisierte Gewalt an Kindern bzw. Jugendlichen“ statt "sexueller Missbrauch" verwendet.

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen

Schutzbefohlene sind Minderjährige unter 16 Jahren bzw. in bestimmten Fällen unter 18 Jahren (sog. Schutzaltersgrenze), die sich zum Täter oder der Täterin in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis besteht zum Beispiel gegenüber Lehrer:innen, Ausbilder:innen oder den (Stief-)Eltern. Die höhere Schutzaltersgrenze von 18 Jahren gilt dann, wenn es sich bei dem Täter oder der Täterin um einen Elternteil oder dessen Partner:in handelt oder wenn ein:e Lehrer:in oder Ausbilder:in das bestehende Abhängigkeitsverhältnis bewusst missbraucht, also die eigene Macht und Überlegenheit als Mittel einsetzt, um die minderjährige Person gefügig zu machen.

Sorgerecht

Umgangssprachlich häufig verwendeter Begriff für die „elterliche Sorge“.

Täterarbeit (opfergerechte)

Form der Prävention von sexueller Gewalt, die direkt bei den Verantwortlichen für sexuelle Gewalt ansetzt. Tätertherapie und -beratung haben das Ziel, (potenzielle) Täter (und Täterinnen) durch Einsicht, Verantwortungsübernahme und Selbstkontrolle daran zu hindern, (erneut) sexuelle Gewalt auszuüben. Opfergerechte Täterarbeit berücksichtigt die Perspektive und die Bedürfnisse Betroffener von sexueller Gewalt in Therapie und Beratung.

Täterstrategien

Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche findet nicht aus Versehen statt. Die meisten Täter und Täterinnen gehen - mehr oder weniger - bewusst planvoll und strategisch vor. Die Strategien beziehen sich auf die Anbahnung der Tat, ihre Durchführung, aber auch darauf, dass sie verborgen bleibt. Dabei konzentrieren sich Täter und Täterinnen nicht ausschließlich auf die Opfer. Sie manipulieren die Kinder oder Jugendlichen, um sie gefügig zu machen und zu verhindern, dass sie sich jemandem anvertrauen. Aber das würde zum Gelingen der Tat nicht ausreichen. Aus Sicht der Täter und Täterinnen ist es unverzichtbar, auch das schützende Umfeld zu beeinflussen. Menschen im Umfeld des Opfers wie Eltern oder Kolleg:innen müssen so manipuliert werden, dass sie den Täter oder die Täterin für vertrauenswürdig halten, die wahren Absichten nicht ahnen und keinen Verdacht schöpfen. Suchen Täter und Täterinnen im Internet nach ihren Opfern, ist die Beeinflussung des Umfeldes nicht erforderlich: Sie können sich ausschließlich auf die Kinder und Jugendlichen konzentrieren und müssen sich kaum Sorgen machen, dass Bezugspersonen des Opfers sie entdecken.

Trauma

Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (ICD-10, Klassifikationssystem der WHO). Dazu gehören beispielsweise gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, sexueller Missbrauch, Naturkatastrophen, Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit. Traumatische Ereignisse überwältigen alle Anpassungsstrategien von Menschen, mit dem Leben fertig zu werden, und können zu einer akuten Belastungsreaktion, zu einzelnen Störungsbildern wie beispielsweise Ängsten oder Depressionen sowie zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen. Sexueller Missbrauch ist in der Regel ein sehr traumatisches Ereignis.

Traumaambulanz

Bietet schnelle therapeutische Hilfe, Stabilisierung und Beratung für weitere Schritte für Betroffene von Gewalttaten sowie für ihre Angehörigen. Sie hilft auch, eine anschließende Therapie oder ein anderes Behandlungsangebot zu finden, wenn dies erforderlich ist. Es gibt Traumaambulanzen für Erwachsene sowie für Kinder und Jugendliche. Für diese sogenannte Frühintervention darf die Gewalttat nicht mehr als zwölf Monate zurückliegen. Bei Betroffenen von sexuellem Missbrauch kann es sein, dass die Gewalttat über einen langen Zeitraum verdrängt wurde, aber aktuell zu einer psychischen Belastung führt. Auch in diesem Fall können sich Betroffene binnen zwölf Monate nach dem Auftreten der akuten Belastung an eine Traumaambulanz wenden.

Traumapädagogik

Berücksichtigt Erkenntnisse aus der Traumaforschung in pädagogischen Ansätzen, insbesondere in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe, und bemüht sich um die soziale und emotionale Stabilisierung von traumatisierten Kindern und Jugendlichen, um ihr Vertrauen zu sich selbst und zu anderen zu stärken. Die Basis dieser Arbeit sind institutionelle Strukturen und pädagogische Grundhaltungen, die von Gewaltfreiheit, Partizipation, Wertschätzung und Transparenz geprägt sind.

Traumatherapie

Sammelbegriff für unterschiedliche therapeutische Ansätze, Modelle und Methoden. Richtlinientherapien wie die Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Psychoanalyse und systemische Psychotherapie haben eigene Ansätze zur Behandlung traumatischer Störungen entwickelt, beispielsweise die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie oder EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing).

Trigger

Viele Betroffene entwickeln eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS. Die bei dieser Störung häufig auftretenden Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse („Flashbacks“) werden oft durch sogenannte Trigger ausgelöst. Das können zum Beispiel bestimmte Gerüche oder Geräusche sein.

UN-Kinderrechtskonvention

Übereinkommen über die Rechte des Kindes, ist das wichtigste internationale Menschenrechtsinstrument für Kinder. Sie gilt für alle Kinder und Jugendlichen, die jünger als 18 Jahre sind. Sie umfasst 54 Artikel, die weltweit gültige Maßstäbe für eine kind­gerechte Gesellschaft und auch die Aufgaben von Staat und Gesellschaft zur Durchsetzung dieser Rechte beschreiben. Sie wurde 1989 von der UN-Generalversammlung verabschiedet und 1992 von Deutschland ratifiziert. Seit 2010 gilt sie vorbehaltlos für alle Kinder in Deutschland

Unschuldsvermutung

Wichtiges Grundprinzip des rechtsstaatlichen Strafverfahrens und besagt, dass eine beschuldigte oder angeklagte Person solange als unschuldig betrachtet wird, bis ihre Schuld im Rahmen eines strafrechtlichen Verfahrens bewiesen ist. Sie hat auch zur Folge, dass ein mutmaßlicher Täter oder eine mutmaßliche Täterin keine Angaben zu der vorgeworfenen Tat machen muss. Er oder sie darf also schweigen (oder sogar lügen) und muss sich nicht selbst belasten. Aus diesem Grund lässt sich gerade bei Sexualdelikten, bei denen die Aussage der betroffenen Person häufig das einzige Beweismittel ist, die Tat nicht immer beweisen, da letzte Zweifel nicht beseitigt werden können. Durch den Pressekodex hat sich auch die Berichterstattung über Strafverfahren an der Unschuldsvermutung zu orientieren. In Kinderschutzfragen hingegen ist die Unschuldsvermutung kein anzuwendendes Prinzip, weil Interventionen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht davon abhängig gemacht werden können, ob einer beschuldigten Person ihre Schuld nachgewiesen werden kann.

Verjährung

Für Straftaten aus dem Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen kommen laut Strafgesetzbuch Verjährungsfristen zwischen fünf und 30 Jahren in Betracht, in den meisten Fällen verjährt die Tat jedoch nach zehn oder 20 Jahren. Die Verjährung beginnt dabei generell mit der Beendigung der Tat, ruht jedoch seit 2015 bei schwereren Sexualstraftaten, zu denen alle Formen des sexuellen Missbrauchs gehören, bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers.

Die zivilrechtlichen Verjährungsregelungen wurden 2013 von bisher drei Jahren auf nunmehr 30 Jahre verlängert. Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld können 30 Jahre nach Kenntnis von Tat und Täter bzw. Täterin geltend gemacht werden. Die Verjährung von Ansprüchen ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs des Opfers oder bis zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft von Täter bzw. Täterin und Opfer gehemmt.

Vernachlässigung

Bezeichnung für das andauernde oder wiederholte Fehlen von fürsorglichem Handeln von Sorgeverantwortlichen (Eltern oder andere Betreuungspersonen), das notwendig wäre, um die physischen und psychischen Grundbedürfnisse des Kindes bzw. der:des Jugendliche:n zu befriedigen. Man unterscheidet vier Unterformen der Vernachlässigung: Körperliche Vernachlässigung (unzureichende Versorgung mit Nahrung, Flüssigkeit, witterungsangemessener Kleidung oder mangelhafte Hygiene, medizinische Versorgung, Wohnverhältnisse), erzieherische und kognitive Vernachlässigung (fehlende Kommunikation und erzieherische Einflussnahme, fehlende Anregung zu Spiel und Leistung), emotionale Vernachlässigung (Mangel an Wärme, Geborgenheit und Wertschätzung) und unzureichende Aufsicht. Vernachlässigung gilt als häufigste Form der Kindeswohlgefährdung.

Viktimisierung

Begriff, der in der Psychologie, in den Sozialwissenschaften und der Kriminologie verwendet wird. Er beschreibt, dass eine Person Opfer von Gewalterfahrungen wie Misshandlung, Missbrauch, Mobbing, Diskriminierung wird.

Vulnerabilität

Kindbezogene Faktoren und Bedingungen, die das Risiko erhöhen, sexuellen Missbrauch zu erleben, wie beispielsweise körperliche oder kognitive Behinderung, mangelndes Sexualwissen, geringes Selbstwertgefühl, Vorbelastungen durch (sexuelle) Gewalt.

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