Aus unserer Sicht (Betroffenenrat) | 23.05.2023

STATEMENT ZU ZAHLEN KINDLICHER GEWALTOPFER (PKS)

Statement Betroffenenrat anlässlich Pressekonferenz der Unabhängigen Beauftragten und des BKA zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2022

Die PKS-Zahlen müssen differenzierter in den Blick genommen werden

Trotz der unbestrittenen Anstrengungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt existiert leider weiter ein hohes Dunkelfeld betroffener Kinder und Jugendlicher. Die Zahlen der erfassten Fälle können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Entdeckungsrisiko der Täter*innen gering bleibt.

Wie im Jahr 2021 mit insgesamt 15.507 in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Fällen sexuellen Missbrauchs an Kindern ist das Niveau auch für das Jahr 2022 mit 15.520 erfassten Fällen gleichbleibend hoch. Betroffene haben ein Recht auf Aufdeckung, aber nach wie vor ist das Dunkelfeld erheblich. Insbesondere dient die Aufdeckung von Sexualstraftaten gegen Kinder und Jugendliche gleichzeitig dem Schutz noch unbekannter weiterer Opfer, da Täter*innenoft Wiederholungstäter*innen sind. Nach Aufdeckung muss vor allem gewährleistet sein, dass im Folgenden das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Unsere Forderung nach Sicherstellung umfassender Unterstützungsstrukturen bleibt daher aktueller denn je.

Leider ist auch nach Aufdeckung und eventueller Anzeige die Einstellungsquote bis heute viel zu hoch geblieben. Vor allem in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen ist ein hohes Ausmaß an Einstellungen zu verzeichnen. Fast 60 % aller Anzeigen werden letztlich eingestellt, ohne dass bisher genau erfasst wird, wie die jeweilige Einstellung des Verfahrens begründet wurde. Wir fordern weiterhin eine dringend notwendige wissenschaftlich basierte Erfassung der Einstellungsbegründungen. Viele Betroffene und deren Unterstützer*innen werden hier erneut ohnmächtig allein gelassen.

Bekannt ist, dass die Hauptzahl der Täter*innen bei sexualisierter Gewalt aus dem familiären Umfeld kommt. Ist der*die mutmaßliche Täter*in sorgeberechtigt, besteht die reelle Gefahr, dass dem schützenden Elternteil eine Anzeige als „Racheakt" ausgelegt wird. Es zeigt sich deutlich, dass eingestellte Ermittlungen vom staatlichen Helfersystem als Freispruch interpretiert werden. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist im weiteren Verlauf oft nicht sichergestellt.

Nicht nur, dass regelmäßig über zwei Drittel der Verfahren eingestellt werden, auch wird viel zu selten der mögliche Strafrahmen ausgeschöpft. Wir als Betroffenenrat vermissen immer wieder konsequentes gesamtgesellschaftliches Handeln. Es war und ist die Aufgabe von Politik, Behörden, Justiz, der Zivilgesellschaft und aller Erwachsenen, Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu verhindern oder diese mindestens zu beenden.

Der Betroffenenrat fordert seit Jahren, dass Opferrechte und Kinderschutz bei allen Betroffenen ankommen. Dazu braucht es, bei allen errungenen Verbesserungen, immer noch viel mehr Personal und eine deutlich bessere technische Ausstattung angesichts der steigenden Zahl von Cyberdelikten. Denn es gilt: Je mehr ermittelt werden kann, desto mehr Taten werden aufgedeckt und vermeintliche (Online-)Schutzräume von Täter*innen verhindert. Aufdeckung, Sensibilisierung und Qualifizierung müssen so früh wie möglich zum Schutz von Kindern und Jugendlichen greifen.

Gerade im Bereich der Bildung von Kindern und Jugendlichen muss der Fokus viel mehr auf sogenannte Cyberdelikte gelegt werden. Insbesondere die Gewalt unter Kindern hat deutlich zugenommen. Angebote medienpädagogischer Begleitung und Unterstützung müssen beispielsweise weitaus stärker in den Schulalltag implementiert werden. Medien sind zentral in den Lebensrealitäten von Kindern und Jugendlichen, jedoch eine sensible, informative und wertschätzende Begleitung sowie das Erlernen von Fähigkeiten und Kompetenzen hinken spürbar hinterher. Kinder und Jugendliche, die Gewalt erfahren, müssen untereinander mehr gestärkt werden. Oft fehlt es an Wissen über die eigenen Rechte, aber auch die mögliche Strafbarkeit eigenen Handelns. Viele wissen gar nicht, womit sie sich strafbar machen oder wie sie sich strafrechtlich wiederum wehren können.

Fakt bleibt für uns auch in diesem Jahr: Die Zahlen der PKS müssen weitaus differenzierter in den Blick genommen und Hell- wie die Dunkelfeldforschung konsequenter und ausreichend finanziert werden.

Der dringende Handlungsbedarf für die Entwicklung und Umsetzung von digitalen Schutzkonzepten sollte nicht immer nur betont werden, sondern endlich in der Praxis ankommen. Unser Ziel als Betroffenenrat bleibt eine verpflichtende Verankerung von Schutzkonzepten und altersspezifischen Präventionsangeboten in Kita und Schule.

Der Betroffenenrat, 23.05.2023

 


Pressenanfragen an den Betroffenenrat unter:
presse@betroffenenrat-ubskm.de                                                                                           

Diese Mitglieder des Betroffenenrates stehen für Medienanfragen zu folgenden Kontexten als Gesprächspartner:innen zur Verfügung:
https://beauftragte-missbrauch.de/fileadmin/Content/img/Betroffenenrat/Ansprechpersonen_des_Betroffenenrates_fuer_Medienanfragen_Mai2023.pdf 


Diese Meldung beinhaltet Forderungen und Ansichten des Betroffenenrates und gibt nicht die Positionen des UBSKM-Amts wieder.

Praktikumsplätze

Wir bieten regelmäßig Praktikumsplätze im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit/Social Media an.



Weitere Informationen: Zu den Stellenangeboten

Angebote und Projekte des UBSKM

Webanalyse / Datenerfassung

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs möchte diese Website fortlaufend verbessern. Dazu wird um Ihre Einwilligung in die statistische Erfassung von Nutzungsinformationen gebeten. Die Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden.